Selina Hocke im Interview: “Hola” aus der Sierra Nevada.

by Daniela Kapser 0

March 31st, 2016 Deutsch

Selina hat uns einen Gruß aus der Sierra Nevada geschickt – dort ist sie gerade im Höhentrainingslager:

 

2013 verblüfft Selina Hocke im zarten Alter von 16 Jahren die deutsche Schwimmwelt: Bei den Deutschen Meisterschaften konnte sie die 50 m Rücken in 28,69 Sekunden gewinnen und die 200 m Rücken in 2:10,65 – das war zu diesem Zeitpunkt 2013 der 11. Platz der Weltrangliste. Über die 100 m Rücken konnte sie noch Silber abräumen – in 1:01,52 Minuten. Somit hatte sie sich für die Weltmeisterschaften in Barcelona qualifiziert – dies war ihr bis dahin größter internationaler Wettkampf. Erwähnenswert sicher ebenfalls ihre Erfolge bei den Junioren-Europameisterschaften 2012 mit der Bronzemedaille mit der 4 x 100m Lagenstaffel und zwei vierten Plätzen über die 100m und 200m Rücken.

Selina erzählt uns im Interview, dass die zwar für sie sehr erfolgreichen Deutschen Meisterschaften 2013 für sie auf der anderen Seite wegen der unerwarteten Erfolge sehr stressig waren: “Ich konnte das ganze Wochenende nicht wirklich was essen, weil ich daueraufgeregt war. Es war alles etwas surreal für mich. Die ganzen Leute und die Aufmerksamkeit waren mir ein bisschen viel. Ich war so aufgewühlt, als ich nach dem 200 Rücken Finale Dopingkontrolle hatte und meine Eltern erst noch nach Hause fahren mussten, um meinen Perso zu holen, bin ich mitten in der Halle in Tränen ausgebrochen, obwohl es ja eigentlich gar kein richtiges Problem gab. Insgesamt war das Wochenende einfach super anstrengend, in der Woche drauf bin ich auch ziemlich krank geworden und hatte tagelang Fieber. Natürlich war es dennoch eines meiner schönsten Erlebnisse, weil das Gefühl, das alles, was man gegeben hat, sich mehr als genug ausgezahlt hat einfach unbeschreiblich ist und ich bin mehr als dankbar dafür.” Nach diesem großen Erfolg und der Teilnahme an den FINA World Championships 2013 in Barcelona, bei denen sie viel für ihre sportlichen Zukunft lernen konnte, zog sie in der Saison 2013/2014 von Berlin nach Hamburg, wo sie am OSP trainierte und im Internat lebte. Obwohl sie sich gut mit den Teamkameraden und Mitbewohnern verstand, meint sie: “Ich konnte mich nie wirklich einleben. Das hat mich ziemlich belastet und ich wurde immer öfter immer länger krank. Auch das Asthma, das ich eigentlich schon immer hatte, hat mir plötzlich riesige Probleme gemacht. Nachdem ich fast 5 Wochen am Stück krank war und bei den DM 2014 die wahrscheinlich schlechtesten Rennen meines Lebens abgeliefert habe, vermutete mein Arzt eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung. Letztendlich habe ich dann die Saison abgebrochen, bin zurück nach Hause gezogen und habe diverse Ärzte und Fachleute besucht.” Eine Antibiotikatherapie und eine Umstellung ihrer Asthmamedikation haben ihr geholfen, sich wieder besser zu fühlen und zurück auf die Erfolgsspur zu kommen: Bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften 2015 ist sie zum ersten Mal seit fast 3 Jahren wieder  Bestzeiten auf den Rückenstrecken geschwommen und sie hat die erste Kurzbahnmedaille ihres Lebens mit Bronze über die 50 m Rücken gewonnen. “Das stimmt mich auf jeden Fall positiv für die kommenden Langbahn-Deutschen, aber ich möchte das, ohne mich groß wegen irgendetwas unter Druck zu setzen, locker auf mich zu kommen lassen.”

Selina lebt und trainiert zur Zeit in Heidelberg, sie wohnt innerhalb einer WG im Sportinternat in Heidelberg – ihr Trainer ist Dr. Michael Spikermann, sie besucht ein Wirtschaftsgymnasium, dort möchte sie nach 13 regulären Schuljahren ihr Abitur machen – und würde sie gerne Medizin oder Psychologie studieren. Sie geht in Heidelberg auch mit “Nicht-Sportlern” zur Schule: “Inzwischen finde ich es super cool, dass ich auch Freunde außerhalb des Sports habe. Die Trainingsgruppe war eine kleine Umstellung, weil ich hier die Jüngste bin und auch die einzige, die noch zur Schule geht. Aber auch das hat sich nur als positiv erwiesen. Ich fühle mich pudelwohl in Heidelberg.” fasst sie ihren Umzug nach Heidelberg in der Saison 2014/2015 zusammen. In Heidelberg hat Selina auch angefangen, mit der Ernährungsberaterin und Sportpsychologin Carola Spikermann zu arbeiten – sie sagt, dies habe ihr in den letzten 1,5 Jahren schon sehr geholfen.

In dem Sportinternat mit 24 Athleten schätzt sie die persönliche Atmosphäre und die Unterstützung, die sie bekommt: “Wir bekommen Nachhilfe, um verpassten Stoff aufzuholen, es gibt Seminare und Workshops zu Themen wie Ernährung, Umgang mit Stress und dem richtigen Lernverhalten und ab und zu unternehmen wir gemeinsame Ausflüge zu Eishockey- oder Handballspielen beispielsweise. An jeder Partnerschule des OSP gibt es einen Schulkoordinator mit dessen Hilfe die meisten schulischen Probleme, sei es eine Klausur, die aufgrund eines Lehrgangs verschoben werden muss oder eine Ersatzleistung, welche wegen zu vielen Fehlzeiten in einem bestimmten Fach zur fairen Notengebung erbracht werden muss, geklärt werden können.”

Der Tagesablauf eines Sportlers ist hart – aber die kurzen Wege vom Internat zu ihren Trainingsstätten erleichtern den gut geplanten Zeitplan: “An einem typischen Schultag klingelt mein Wecker um 5.45 Uhr, ich stehe auf, ziehe meinen Badeanzug an und gehe zwei Stockwerke runter in die Schwimmhalle. Um 6 Uhr springe ich dann ins Wasser und gehe um 7.30 Uhr wieder raus. Anziehen, frühstücken und mit dem Bus in die Schule zur 2.Stunde um 8.35 Uhr. Meistens hab ich dann bis 13/14 Uhr Schule, dann gibt’s im OSP Mittagessen. Von der Cantina geht es dann direkt zum Hausaufgabenraum zur Nachhilfe. Und dann hab ich noch circa 30-45 Minuten bis ich mich auf den Weg zum Kraftraum mache, wo wir bis kurz vor 17 Uhr Landtraining machen und um 17 Uhr springen wir dann wieder ins Wasser bis irgendwas zwischen 18.30 und 19.30 Uhr. Dann wird beim Abendessen meistens noch ziemlich viel geplaudert und dann geht es eigentlich fast schon wieder ins Bett.”

Über eine Schwimmerkarriere im Ausland, z.B. in den USA, nach ihrem Abitur denkt Selina nicht konkret nach – denn sie mag Deutschland sehr gerne. Ihre sportliche Zukunft plant sie ebenfalls langfristig: “Die Olympischen Spiele in Rio dieses Jahr sind in keinster Weise irgendeine Art von Ultimatum für mich. Sollte ich mich wirklich qualifizieren, würde ein Traum für mich in Erfüllung gehen. Wenn ich mich nicht qualifiziere, dann trainiere ich weiter, um mir den Traum von Olympia 2020 in Tokyo zu erfüllen.”

Auf dem Weg dahin, ist neben der Unterstützung durch ihre Schule, ihren Trainer und die Familie auch die finanzielle Absicherung durch Sponsoren wichtig, denn: “Ich bin kein Fußball- oder Tennisstar. Schwimmen ist schon eher eine Randsportart in Deutschland, obwohl es natürlich noch ganz andere Sportarten gibt, die unverdienter Weise gänzlich fern ab von der öffentlichen Aufmerksamkeit sind. Ich habe das Glück, dass ein ehemaliger Athlet meines früheren Trainers mir in puncto Marketing sehr gekonnt unter die Arme greift. Grundsätzlich geht es natürlich irgendwo darum vielleicht ein paar Sponsoren zu finden, um den eigenen Sport finanzieren zu können. Was ich aber besonders schön daran finde, wenn man als Sportler beispielsweise auf den sozialen Netzwerken sehr aktiv ist, ist die erhöhte Aufmerksamkeit, die dem Sport selbst zukommt. Es freut mich, wenn mich zum Beispiel auf Instagram plötzlich jemand Wildfremdes anschreibt, weil er durch Zufall auf mein Profil gestoßen ist und jetzt etwas über das (Leistungs-)Schwimmen wissen will. In gewisser Weise sind wir es unserer Sportart schuldig ihr etwas zurück zu geben. Für mich bedeutet das eben bei Facebook, Instagram & Co andere an seinem (Sportler-) Leben teilhaben zu lassen, um sie zu inspirieren sich selbst mal in einer Sportart zu versuchen. Und das ist auch möglich, wenn man nicht berühmt ist, man muss einfach nur Spaß und Freude am (Schwimm-)Sport verbreiten.” Diese Professionalität zeigt sich bei ihr in mehr als 5523 “Likes” ihrer Facebook Seite und einer professionellen Homepage. Ihre Sponsorenverträge mit Speedo und Cellagon sind für sie sehr wichtig und wertvoll. “Ich bin für jeden Mensch und jede Firma dankbar, die heutzutage noch Geld für den Sport auszugeben bereit sind.”

Als sportliche Vorbilder bezeichnet sie ihre Trainingskameraden genauso wie Spitzenschwimmer, die einen eignen Stil haben – wie die italienische Olympiasiegerin Federica Pellegrini – cool findet sie deren “Rock’n Roll Tattoo” im Nacken. Und Persönlichkeiten wie die französischen Schwimmer Florent Manaudou, Camille Lacourt findet sie wichtig für den Sport – “denn sie machen mit ihrer Ausstrahlung den Schwimmsport interessanter.” ergänzt sie.

Wenn Selina Hocke aus dem Höhentrainingslager am 2.4. zurückkommt, dann geht es eine Woche später direkt weiter – in die Sonne nach Teneriffa. Und dann sind es weniger als 4 Wochen bis zum vorläufigen Saisonhöhepunkt, den Deutschen Meisterschaften in Berlin vom 5.5. bis 8.5.2016. Wir wünschen Selina, dass sie vor allem gesund bleibt und weiterhin mit so viel Begeisterung, Zielstrebigkeit und Spaß ihre sportlichen und privaten Ziele verfolgt – dann wird der Erfolg ganz sicher nicht ausbleiben.

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Ihr Homepage: Selina Hocke

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